Was ist der Tod?

Was ist der Tod?

Der Begriff „Tod“ wird für zwei unterschiedliche Dinge benutzt. Einmal für Vergangenes und einmal für Stillstand. Beides existiert nicht, sondern wird nur so empfunden, weshalb es den Tod auch nicht geben kann. Dinge verschwinden aus unserem Bewusstsein, aus unserem Sichtfeld oder werden verdrängt, aber sie verschwinden nicht aus der Welt.

Aus der irdischen Sicht heraus betrachtet bedeutet es „Ende“, was impliziert, dass danach nichts mehr kommt. Das widerspricht allerdings sowohl dem Energieerhaltungssatz (Energie kann nicht erzeugt werden und auch nicht verschwinden, sie kann sich nur umwandeln), als auch dem Kreislauf des Lebens (nach jedem Ende kommt ein neuer Anfang). Es müsste also nicht Tod, sondern „Umwandlung“ heißen. Nur, weil wir linear denken, glauben wir, das Vergangene sei verloren.

Lebendigkeit ist steter Wandel. Ohne diesen würde jede Lebendigkeit erstarren. Nichts bleibt, alles vergeht, um sich in veränderter Weise wieder neu zu zeigen. Das Leben kann nicht angehalten werden, es kann nur gefühlt stagnieren. Und hier sind wir bei der zweiten Verknüpfung mit dem Begriff „Tod“. Der Tod ist Ende und Anfang zugleich, eine Pendeltür, die erst Bewegung und damit Leben ermöglicht. Erst, wenn etwas hin und her schwingen kann, es ein Ein- und ein Ausfließen und ein Geben und Nehmen geben darf, wird aus der Einseitigkeit und Stagnation etwas Lebendiges.

Wer den Tod versteht, versteht auch das Leben. Wer sich vor ihm ängstigt, stagniert.

Tod kann heißen:

– Trennung

– Abtrennung

– Lösung

– Loslösung

– Verlust

– Auflösung

– Zerfall

– Zerstörung

– Umwandlung

– Veränderung

– Wende

– Grenze

– Schluß

– Ende

– Sperre

– Entzug

– Stillstand

– Stagnation

aber auch:

– Verstärker

– Sichtbarmacher

– Auslöser

– Wachmacher

– Lichtbringer (führt das Ich zu sich selbst)

Wandlungsprozesse laufen im Körper automatische ab. Wir können sie bewusst annehmen und fördern oder ablehnen und dadurch blockieren.

Die Angst vor dem Tod ist in Wahrheit die Angst vor Veränderung und Neuem.  

Der Tod löst festgefahrene Strukturen auf und ermöglicht bzw. erzwingt zugleich eine Öffnung für Neues. Somit ist er genau das Gegenteil von dem, was wir Menschen daraus machen.

Paradoxerweise sind diejenigen, die Angst vor dem Tod haben auch dienenigen, die innerlich schon tot sind. Die Verweigerung eines anstehenden Bewusstseinswandels ist der wirkliche Tod. Sie lässt uns in immer denselben Bahnen laufen, bis uns jemand wie das Schicksal heraus holt.

Menschen, die an Altem festhalten und das Leben kontrollieren wollen, halten es in Wahrheit auf. Angst vor dem Tod ist Angst vor dem Leben, Angst vor Entwicklung, Angst vor Veränderung, Angst vor Neuem, noch Fremdem und Ungewohntem. Wir schränken uns und andere  ein, wenn wir uns begrenzen und uns damit die Möglichkeit nehmen, unser Potenzial zu entfalten. Mit dem Festhalten an veralteten Vorstellungen und angelernten Dogmatismen schaufeln wir uns unser geistiges Grab. Die meisten bemerken es nicht einmal, dass sie in ihren selbstgewählten Beschränkungen fast ersticken und mißdeuten den engen Raum um sich als  sicheren Schutzraum. Spätestens wenn dieser von außen aufgebrochen wird, bemerken wir, dass Sicherheit eine Illusion ist, und dass das einzig sichere in dieser Welt die Weiterentwicklung ist. Außer dem einen großen Ganzen, unserem Kern-Selbst, dem beobachtenden Bewusstsein oder auch Gott genannt, aus dem alles heraus erschaffen wird, gibt es nichts Bleibendes.

Der Tod führt uns zurück ins Leben, in die Lebendigkeit und in die Bewegung. Wir müssen etwas sterben lassen, z.B. alte Ansichten, Strukturen oder Wertesysteme, wenn wir wieder offen sein wollen für Entwicklung. Jedes Sterben ist somit ein Befreiungsschlag der Seele oder des Geistes. Niemand fällt ins Bodenlose, der Entwicklung zulässt. Trennung muss zugelassen werden, um wieder zurück in die Verbindung zu finden. Nur wer begriffen hat, dass Leben ewiger Wandel ist und nur Festlegungen vergehen, kann die Angst vor dem Tod ablegen. Veränderung bedeutet, geistig jung zu bleiben. Das Geistige ist keinem Alterungsprozess unterworfen wie der Körper. Wer mit der Zeit geht und fähig bleibt, sich Neuem anzupassen, lebt ewig. Geistige Offenheit führt dazu, unsere inneren Kräfte zu wecken, die uns in unser wahres Selbst wachsen lassen, damit wir dem Ausdruck verleihen können, wofür wir erschaffen wurden (bzw. uns erschaffen haben). Wir erkennen, was für Potenziale in uns stecken und nutzen sie richtig. Das führt dazu, dass wir auf unserem Lebensweg gestärkt und mutig vorwärts gehen können in einem gesunden Selbstvertrauen bei gleichzeitigem Vertrauen dem Leben gegenüber.

Viele sagen: „Der Tod ist gerade nicht mein Thema.“

Der Tod ist in Wirklichkeit jede Sekunde des Lebens Thema, sonst hätten wir ein Problem. Jeden Moment sterben Zellen, Gedanken – einfach alles. Würden wir das festhalten wollen, dann würde das Leben nicht weiterfließen können, dann hätten wir Stagnation und damit den wirklichen Tod. Aber das lässt das Leben gar nicht zu. Leben ist sozusagen dauerhaftes Sterben. Das Leben möchte erkannt werden, damit es gelebt werden kann. Je mehr Erkennung, desto mehr Bewusstsein, desto größer der Spiel- und Erlebnisraum, in dem wir uns bewegen können. Darum bringt es uns bei, was wir wissen müssen, ob wir das wollen oder nicht. Etwas in uns will es, nämlich das wahre, erschaffende und sich beobachtende Selbst. Es erschafft sich immer neue Welten, die es wieder beleben und erleben kann. Das ist das Spiel, von dem das Ego (das Selbst in der Umkehr) nichts weiß. Das Ego ist das erlebende Ich, welches dieser Illusion auf den Leim gehen muss, damit sich das Selbst in allen Facetten und von allen Perspektiven aus erfahren kann. Das Selbst weiß, dass es diesen vergänglichen Körper nur gewählt hat, um darin seine Lebenserfahrungen zu machen, in ihm wirken zu können, und um sich durch ihn selbst kennenzulernen. Der eine Teil unseres Selbst steuert also, der andere führt aus. Wir sind der Denker, der in seiner eigenen Gedankenwelt lebt. Der Denker und das Erdachte sind eins. Nur leider identifizieren wir uns mit dem Erdachte – dem Vergänglichen. Und das macht unser Leben zum Spießrutenlauf.

Man muss sich vor dem Tod nicht fürchten. Furcht und Angst lähmen uns, nehmen uns die Lebendigkeit und erzeugen genau das, was wir verhindern wollen. Wer Angst hat, sich auszuleben und so zu entfalten, wie er gedacht ist, kann ins Leben nichts von sich einbringen und lebt an ihm vorbei. Das kann das Leben nicht zulassen, und deshalb erteilt es uns Lektionen. Dabei geht es sicherlich nicht zimperlich mit uns um. Aber würden wir es auf die sanfte Weise verstehen? Würden wir freiwillig und ohne Grund aus unserer kompfortzone heraustreten und unser Bewusstsein erweitern? Bewusstseinserweiterung ist eine Geburt, Geburten geschehen durch Öffnung, und sich zu öffnen schmerzt. Jegliches Unverständnis über das Sein und die Existenz schreit nach Aufklärung, damit sich die Liebe ihren Weg in diese Welt bahnen kann statt der Neid, die Mißgunst und die Intoleranz, die alles Ausgeburten der Angst sind.

Neuen Gedanken öffnen wir uns nur bereitwillig, wenn uns kein Ausweg mehr bleibt, keine Flucht in die Verdrängung und die Blindheit. Wenn man etwas nicht verstanden hat, wird man mitten hineingestoßen in sein Thema, und zwar so, dass ein Ausweichen nicht möglich ist. Der Schrecken klopft an die Tür, um sich vorzustellen, sich erkennbar zu machen, zu sagen, warum er kommt und vor allem, um sein verzerrtes Bild, das wir uns von ihm machen, zu berichtigen. Das ist Heilung, und darauf ist das Leben ausgerichtet. Das Schöne ist – wir müssen nichts tun, um zu verstehen, außer dies zuzulassen, uns zu öffnen und einfließen zu lassen, was da einfließen will. Wer sich dagegen wehrt, wird noch stärker mit dem Schmerz konfrontiert, was letztendlich anstrengender ist, länger dauert und dadurch viel mehr weh tut. Das Hinsehen lässt sich nicht ewig vermeiden, denn nur dadurch werden die Pforten der klareren Wahrnehmung geöffnet. Trotzdem hat der Mensch die Wahl, er kann hinsehen oder wegschauen, je nachdem, wieviel er zu ertragen bereit ist.

Tod ist, wenn sich nichts bewegen darf, weil aus Angst und Unsicherheit keine neuen Türen geöffnet werden wollen, wenn man versucht, das Leben anzuhalten, damit es so bleibt, wie es ist, wenn der Scheinfrieden in Zuckerwatte zelebriert wird und man sich in vermeintlichen Sicherheiten badet, die keine sind. Leben strebt nach Entwicklung, nach Lerneinheiten, die es einem ermöglichen, es in alles Facetten kennenzulernen.

Lange Trauernde werden früher oder später vom Umfeld aufgefordert, wieder zurück ins Leben zu kommen. Was ist damit gemeint? Man soll wider so wedren, wie man vorher war. Aber das funktioniert natürlich nicht. Wer einmal angeschubst wurde, fällt nicht wieder in den alten Zustand zurück. Angeschubste suchen, entdecken, reflektieren, beobachten und hinterfragen. Nur dadurch stoßen sie eine Türe nach der anderen auf und lasse Licht in ihre innere Dunkelheit. Oft ist es der Tod oder die konfrontation damit, die ties Schlafende aus dem Dornrösschenschlaf weckt. Der Tod öffnet Türen, bricht alte, eingefahrene Gewohnheiten und Denkmuster auf, löst, verändert und weckt unerkannte Potenziale. Alles ist schon in uns, es wird nur nicht erkannt, wenn keine Notwendigkeit besteht. Wir brauchen die Herausforderungen des Lebens, um die Wahrheiten in uns und dementsprechend auch im anderen und in unserer Umwelt erkennen zu können. Ein schöner Satz fiel mir neulich in die Hand: „Deine Realität richtet sich nicht an der höchsten Version Deinerselbst aus, die du Dir vorstellen kannst, sondern an der niedrigsten Version, die Du bereit bist, zu akzeptieren.“

Wir basteln uns unsere Wirklichkeit aus den gefühlten Erfahrungen, die wir schon gemacht haben, Für rein kognitives Wissen haben wir noch keine Bewusstheit, solange dieses Wissen noch nicht ins Fühlen gegangen ist. Wer unseren Schmerz nicht fühlen kann oder will, kann auch die Welt nicht mit unseren Augen sehen, denn wir Trauernden haben sie vergrößert und damit für Gedanken geöffnet, die andere Menschen noch gar nicht haben können. Dadurch jonglieren wir mit anderen Ideen herum, verknüpfe und interpretiere anders. Und darum können wir auch mit den zwar nett gemeinten, aber völlig überflüssigen Ratschläge derjenigen, die unsere Erfahrung nicht gemacht haben, nichts anfangen. Sie erzählen uns, wir müssten …, sollten …, dürften nicht … usw. Manchmal lächlelt man darüber, manchmal sagt man sich, sie können es nicht besser wissen, manchmal ärgert man sich – je nach Verfassung. Aber man kann es keinem verdenken. Woher sollten sie es besser wissen? Darum müssen sich Trauernde ab und zu zurückziehen und verkriechen, denn es tut nicht gut, sich ständig vor seiner alten Welt rechtfertigen zu müssen oder sein seltsames Verhalten zu erklären. Das sollten Mitmenschen über Trauernde wissen, damit sich nicht noch unnötig Freundschaften auflösen und das Verlustgefühl damit zusätzlich verstärkt wird.