„Lebendig zu sein bedeutet, sein Ändern zu leben.“
Verfasser unbekannt

sondern eine Wirklichkeit, die es zu erfahren gilt.”
Buddha
Ich heiße Claudia Paschke, bin Jahrgang 1968, verheiratet in Köln und Mutter zweier Kinder, von denen eines im Jahre 2015 diese Erde mit nur 17 (fast 18) Jahren schon wieder verlassen hat.
Dieser Schicksalsschlag hat für mich von heute auf morgen alles verändert und drehte mein Leben und Denken schlagartig auf den Kopf. Seit dem beschäftige ich mich mit Themen, denen ich früher lieber aus dem Weg gegangen bin. In tiefem Schmerz und mit unzähligen quälenden Fragen, die ich mir nicht beantworten konnte, ließ mich mein Sohn zurück. Ohne Antworten auf sie zu bekommen, konnte mein Leben nicht wieder lebenswert werden, also stellte ich sie ihm. Ob Sie es glauben oder nicht – es begann eine lange Phase des Schreibens und der Kommunikation mit einer Verständnisebene, die jenseits unserer liegt. Ich suchte ihn und fand dabei zuerst mich selbst und dann uns beide.
Teile davon können unter www.claudiapaschke.wixsite.com/niclas-calvin/fuer-niclas (klicke auf das nachfolgende Bild, dann Sinnsuche – Meine Texte) nachgelesen werden. Hier beschreibe ich meine Gedanken und Gefühle im ersten Verarbeitungsjahr. Später wurden meine Erkenntnisse immer komplexer und damit weniger erklärbar, sodass ich sie nicht mehr in Schriftform bringen konnte, sondern Grafiken erstellte, die allerding nur noch von Wenigen verstanden werden konnten. Ich trage dieses Wissen in mir, und es hilft mir, mich besser und ohne Angst in dieser Welt orientieren zu können.
www.claudiapaschke.wixsite.com/niclas-calvin
Der Unfalltod meines Sohnes führte mich beruflich auf einen ganz neuen Weg. Von der Szenenbildnerin wurde ich zur vorerst zur Trauerbegleiterin. Nach vielen weiteren Seminaren und Ausbildungen in diese Richtung innerhalb von 5 Jahren schloss ich mit 3 großen Abschlussprüfungen – der zur Heilpraktikerin für Psychotherapie, der zur Lebens- und Sterbeamme nach Claudia Cardinal, und der zur Hypnosetherapeutin – im Jahre 2022 meinen Verarbeitungszyklus ab.
Alles, was ich in dieser Zeit intensiv gesammelt, erfahren, erarbeitet, gelesen, gelernt und erlebt habe, um nicht zu zerbrechen, kommt nun auch zur Anwendung für andere Menschen. Wer mit dem Thema Tod umgehen kann, der wagt sich auch an viele andere Lebensthemen und Problematiken heran, denn der Tod ist ein perfekter Lehrmeister. Ich finde, niemand ist dafür geeigneter, mit Menschen in Not zu arbeiten als jene, die selbst durch alle Höhen und Tiefen des Lebens hindurchgegangen sind, besonders durch die Hölle.
Leider fand ich vor meinem Weg in ein neues Leben niemanden, der mich so hätte auffangen können, wie ich es mir gewünscht hätte, als es mir so dreckig ging. Der Seelsorger, der in der Nacht des Unfalls geschickt wurde und auch die Therapeuten, die ich damals aufsuchte, machten mit ihren unsensiblen Sätzen alles nur noch schlimmer. Erst meine Sterbeammen-Kolleginnen aus der Ausbildungsgruppe gaben mir Boden zurück, da sie keine Scheu hatten, mit mir und meiner Geschichte umzugehen. Ich habe verständlicherweise eine Weile gebraucht, um wieder voll am Leben teilnehmen zu können. Ohne sie hätte ich es vielleicht nicht so schnell geschafft, und sie tragen mich noch heute, wofür ich ihnen unendlich dankbar bin. An dieser Stelle möchte ich ihnen und auch Claudia Cardinal meinen ganz tiefen Dank aussprechen.
Es ist nicht einfach, in Umbruchszeiten adäquate Hilfe zu finden. Die Berührungsängste, die die meisten Menschen mit Trauernden und dem Thema Tod haben, sorgen dafür, dass man sich vorkommt, als gehöre man nicht mehr richtig zur Gesellschaft dazu. Diese hat gelernt, zu verdrängen und irgendwie zu funktionieren. Am besten man zeigt gar nicht, wenn es einem nicht gut geht. Davon will keiner etwas hören oder sehen. Es fehlt der Austausch, ohne den Verarbeitung nicht stattfinden kann. Das kann für Betroffene sehr gefährlich werden, denn man ist in dieser Zeit hilflos und in gewisser Weise der anderen Seite sowieso näher als dem Leben im Diesseits. Aufzugeben ist eine Option, der man sich nur widersetzen kann, wenn man Anker hat, die einem einen Sinn im Leben geben. Schon für meinen zweiten Sohn musste ich bleiben. Also entschied ich mich, zu lernen wie eine Besessene, was es über das Danach zu wissen gibt, wie Lebendigkeit gestaltet sein könnte und was der Zweck unseres Daseins ist. Über diese Arbeit, die Therapie-Ausbildungen und die Schreibtherapie begann ich, mich selbst zu heilen. Das war das Beste, was ich machen konnte. Wird Energie gebündelt, dann passiert etwas Seltsames: das Gesuchte findet einen.
Heute kann ich sagen, dass neben der bleibenden Sehnsucht nach meinem Sohn auch eine gewisse Dankbarkeit mitschwingt, wenn ich an ihn denke. Für mich ist er nicht weg, sondern ein verlässlicher, starker Begleiter geworden, der mich führt, schützt und tröstet. Er hat mir den Weg in die tiefsten Tiefen des Seins geebnet, den ich so nie von allein, ohne Grund und ohne sein Verschwinden gegangen wäre, der mich aber letztendlich unendlich bereichert hat. Ich bin dadurch ein anderer Mensch geworden – weiser, feinfühliger, erkennender, umsichtiger , vor allem aber spiritueller als vorher. Nie möchte ich mehr diejenige sein, die ich vorher war. Auch wenn ich diesen Trauerschmerz keinem wünsche, so hat er doch zugegebener Weise das Potenzial, einen positiv zu verwandeln, wie kaum etwas anderes. Das Leid bringt einen während des Transformationsprozesses wieder mit sich selbst wieder in Kontakt. Und das Irre dabei ist: vorher wusste man gar nicht, dass man sich verloren hatte.
Es ist schade, dass sich nur sehr Wenige an dieses Thema heran trauen, bevor es notwendig wird. Ich schließe mich dabei nicht aus. Anfangs stand ich deshalb mit meinem Schmerz und den vielen unbeantworteten Fragen ziemlich allein auf weiter Flur, weil sich in meinem Umfeld keiner damit näher beschäftigt hatte. Man muss sich mühsam durch die Dunkelheit arbeiten, und das in einer Lebensphase, in der man sich so schwach fühlt wie noch nie zuvor. Hätte ich meine Antworten schon früher gehabt, dann wäre mit viel Leid erspart geblieben. Nicht, dass es mir mein Kind zurück gebracht hätte, aber die Verwandlung, die auf beiden Seiten stattgefunden hatte, hätte schneller geschehen können. Heute glaube ich nicht nur, sondern weiß, dass wir uns wiedersehen werden – auf welche Weise auch immer das geschieht. Meine durch dieses Erleben gesammelten Erkenntnisse werden immer mehr, und ich werde sie mitnehmen, wenn ich selbst einmal gehe. Nichts im Universum geht verloren, weder ein Gedanke noch ein Geistwesen.
Begeistert forsche ich neugierig weiter, wo andere nichts suchen. Ist dieser Prozeß erst einmal angestoßen, hört er nicht mehr auf. Das Leben hat mir viel beigebracht, aber seit dem Tod von Niclas bin ich in einer Intensivausbildung gelandet, die einer Achterbahnfahrt gleicht. Wie die Raupe im Kokon zerlegt es mich immer mal wieder aufs Neue, aber das ist nicht schlimm, denn schließlich weiß ich jetzt, wie ich damit umzugehen habe, und dass nach jeder Nacht ein neuer Tag anbricht.
“Und wenn du das Gefühl hast, dass gerade alles auseinander zu fallen scheint, bleibe ganz ruhig. Es sortiert sich nur neu.”
Sicherlich reicht es nicht aus, schlimm zu leiden, um zu wachsen. Wer das Leid nicht annimmt und umwandelt, bleibt stecken. Man kann nur mit offenen Sinnen versuchen, in der Dunkelheit sehen zu lernen, indem man alles hinterfragt, reflektiert und neu betrachtet, auch und vor allem Dinge, die man für immer für Wahrheiten gehalten hat. Das öffnet wertvolle Türen. Nicht jeder kann damit umgehen und viele Menschen aus meinem Umfeld haben sich entschieden, den Weg mit mir nicht mehr weiter zu gehen, nachdem das geschehen ist, weil es ihnen zu anstrengend wurde. Aber auch das ist normal. Wenn das Alte geht, nimmt es alles mit, was sich nicht erneuern will, und das Neue wartet schon darauf, endlich in Empfang genommen zu werden.
Während ich anfangs nur ein Ohr für Menschen haben konnte, die Schlimmstes erlebt hatten, kann ich mich inzwischen auch wieder anderen Problemen gegenüber öffnen und mitfühlend Menschen zuhören, die es nicht so hart getroffen hat. Schmerz und Leid sind nicht messbar und werden ganz individuell empfunden. Wird die Lebensqualität eingeschränkt, ist Hilfe nötig. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Trauer, Ängste, erlebte Traumata, persönliche Krisen oder Schwierigkeiten, in der Gesellschaft zu funktionieren, handelt. Bei jeder Art von Schmerz geht es um Wandel und darum, dass etwas in einem sterben, also abgelegt und verarbeitet werden muss, damit Neues geboren (verstanden und integriert) werden kann.
Die Therapie und Coaching-Methoden, die ich anwende, funktionieren immer auf dieselbe Weise: Bewusstmachung, Wertschätzung, Verarbeitung, Transformation und Integration. Alles, was ich vom Leben lernen durfte, fließt in meine Arbeit mit ein. Die Kreative bin ich geblieben. Man kann sogar sagen: Nie muss man so dermaßen kreativ sein wie in schweren Krisenzeiten. Sobald altbekannte Wege versperrt werden, müssen Alternativen gesucht werden. Umleitungen sind zwar erst einmal unbequem, aber sie erhöhen die Ortskenntnis, wie man so schön sagt. Mittlerweile bin ich ganz erfahren darin, Wege zu sehen, wo andere stagnieren und die Hoffnung verlieren. Glauben Sie mir, es geht immer weiter – nicht besser oder schlechter, aber immer anders und auf jeden Fall bereichernd für das Bleibende in uns. Die Bewusstseinserweiterung, die sich dadurch vollzieht, hilft dabei, später tiefer schauen zu können, schneller größere Sinnzusammenhänge zu erfassen, Zeichen aus der Metaebene empfangen und erkennen zu können und Dinge aus mehreren Perspektiven heraus wahrzunehmen. Man denkt mehr ganzheitlich statt linear, ist mehr bei sich, statt sich im Außen zu orientieren und sich nach anderen Leuten zu richten, legt weniger Wert auf Äußerlichkeiten und das Oberflächliche weicht der Tiefgründigkeit. Kurz gesagt – der begrenzte Verstand mach der Intuition Platz.
Mein neuer Beruf ist der schönste, den ich mir vorstellen kann, denn er bietet mir die Möglichkeit, andere Menschen an den Erkenntnissen teilhaben zu lassen, die mir offenbart wurden, um überleben zu können. Ich habe in ihm einen neuen Sinn gefunden und eine Möglichkeit, das Gelernte und Erkannte auch anzuwenden. Wir Menschen sind keine Einzelgänger, sondern Gemeinschaftswesen. Wir wachsen an unseren Krisen miteinander, füreinander und durch einander. Keiner muss und kann seine schweren Wege alleine bewältigen. Es braucht das stützende Netz. Und da ich schon steinige Wege gegangen bin, fühle ich mich als Reiseleiterin dazu berufen, auch andere dabei zu begleiten, wenn sie Hilfe benötigen. Ich kenne die Nöte und Hürden, denen man dabei begegnen kann. Gemeinsam und auf Augenhöhe suche ich mit Ihnen zusammen die für Sie gangbaren Wege heraus. Gehen müssen Sie allerdings alleine. Das kann einem leider keiner abnehmen. Und trotzdem: Was Sie in Ihren Prozessen berührt, berührt auch mich und umgekehrt. Man lernt nie aus.